Freitag, 4. Juli 2014

Lyrik von Omar Chajjam



In mir ist beides: Himmelreich und Hölle.
In mir ist Gott und Teufel, Lust und Qual.
Ich bin das Meer, ich bin die Quelle,
Ich bin der Leichnam, ich bin der Schakal.

Ich bin von einer Nacht zum Morgen wieder
Der leichte, lose Junge, der ich war.
Ich trage wie im Tanze meine Glieder,
Und Frühlingswinde rauschen durch mein Haar.


Zwei so unterschiedliche Verse, zwei so verschiedene Stimmungen: in den Rubbajat genannten Vierzeilern des Dichters Omar Chajjam, den hier der deutsche Dichter Klabund (1890 - 1928) frei übertragen hat, findet sich die ganze Spanne menschlicher Regungen. 1916 kam Klabunds Band mit Nachdichtungen heraus.
Chajjam selbst lebte von 1048 bis 1131 in Nischapur, er war Mathematiker, Astronom und einer der bedeutendsten persischen Dichter.
Faruq, der Lehrer, der an Mahboobs alter Schule unterrichtet und sich mit seinem ehemaligen Schüler anfreundet, macht ihn auf diesen Dichter aufmerksam.
In einen eigenwilligen Dialog tritt Mahboob mit dem Dichter, wenn er über sein Schicksal nachdenkt. Hinter der Nüchternheit und Skepsis Chajjams verbirgt sich eine Haltung, die ein wenig an die europäischen Aufklärer erinnert: Dem Himmel ist nicht zu trauen, immer wieder überrascht er den Menschen mit ungeahnten Wendungen. Chajjams Appel an den Menschen lautet daher: seinen eigenen Kopf zu benutzen, wachsam zu sein, auch dankbar der Schöpfung gegenüber, indem er sich am Leben erfreut.

Laßt uns die Segel nach den winden hissen
Und achtet auf der Möven Flug!
Sie ahnen nicht, sie wissen ...
Und ihnen dünkt ihr weißes Sein genug ...


Die Übersetzung Klabunds entnahm ich der sehr schönen bibliophilen Ausgabe des Roland-Verlags München von 1921 (1. Auflage 1917), mit Illustrationen von Willy Orth. 




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